Yoga ist eine über 5000 Jahre alte philosophische und zunächst rein spirituelle Lehre aus Indien, die zur Erleuchtung, zum Eins-Werden mit Gott führen soll. In den klassischen indischen Schriften werden vier Wege bezeichnet, die zu Gott führen: Raja Yoga (auch „Ashtanga Yoga“, Patanjalis achtgliedriger Pfad), Bhakti Yoga (Hingabe an Gott), Jnana Yoga (Yoga des Wissens) und Karma Yoga (Yoga der guten Taten). Die Asanas, die körperlichen Übungen, kamen erst später dazu, und sollten den Körper in die Lage versetzen, viele Stunden meditierend im Lotussitz verbringen zu können. Der körperorientierte Teil des Yoga wird allgemein hin als „Hatha Yoga“ bezeichnet und besteht aus fünf Säulen: Asana, Pranayama, Shavasana, die richtige Ernährung sowie positives Denken und Meditation
Herkunft des Wortes
Das Sanskrit-Wort „Hatha“ setzt sich aus „Ha“ („Mond“) und „Tha“ („Sonne“) zusammen. Die kühlende, weibliche und aufbauende Energie des Körpers wird als Mondenergie bezeichnet, bei der wärmenden, männlichen und aktivierenden Energie spricht man von Sonnenenergie. Hatha Yoga soll also diese beiden gegensätzlichen Energien harmonisieren und zusammenführen. „Hatha“ als ganzes Wort bedeutet auch „Anstrengung“ und deutet an, dass der Weg zum Wohlbefinden mit Mühen verbunden ist.
Ursprung von Yoga
Die Wurzeln von Yoga liegen im Hinduismus und Buddhismus. Erstmals Erwähnung findet Yoga bereits in den Upanishaden, einer Sammlung von philosophischen Schriften des Hinduismus, die etwa zwischen 700 und 200 vor Christus entstanden ist. Auch im großen indischen Epos, dem Mahabharata (circa 400 vor Christus bis 400 nach Christus), ist von Yoga die Rede. In diesem Werk sowie in den älteren Purunas, die zu den bedeutendsten Schriften des Hinduismus gehören, werden Kapila und andere als Begründer des Yoga-Systems genannt. Kapila gilt als Autor der Samkhya-Sutras, einer philosophischen Schrift über das reine Bewusstsein, die Seele und die Urnatur. Es ist nicht belegt, ob es sich bei Kapali um eine wirkliche oder eine fiktive Person handelt. Die Samkhya-Philosphie gilt als die Theorie, zu der Yoga die Praxis darstellt.
Die Hathapradipika
Im 14. Jahrhundert verfasste Svatmarama, von dem außer seinem Namen wenig bekannt ist, die Hathapradipika, das nach den Yoga Sutras von Patanjali wohl bekannteste klassische Werk über Yoga. Sie besteht aus 643 Versen, die in vier Kapitel eingeteilt sind. Svatmarama beschreibt das körperbetonte Yoga als Vorstufe zum Raja Yoga, das heißt neben der körperlichen Arbeit müssen auch ethische, moralische und meditative Übungen gemacht werden.
Das erste Kapitel beschäftigt sich hauptsächlich mit Asanas, also den verschiedenen Yoga-Stellungen. Als Voraussetzung für die körperlichen Übungen werden aber auch Essvorschriften und ethische Vorgaben genannt. Das zweite Kapitel beschreibt Pranayama, Atemübungen. Im dritten Kapitel geht es um Mudras: Mudras sind bestimmte Atemtechniken, Visualisierungen, Mantras und/oder Hand- und Körperhaltungen, die die Wirkung einer Asana verstärken. Im vierten Kapitel dreht sich alles um Samadhi, die Erlangung eines überbewussten Zustands. Die höchste Stufe des Samadhi entspricht der „Erleuchtung“, der Absorption in den Kosmos, der reinen Bewusstheit.
Ziele und Wirkungen
Die körperliche Seite von Yoga als Vorstufe zu Raja Yoga soll zur Herrschaft über den Geist befähigen. Viele Menschen beginnen mit Yoga als rein körperliche, fitness- und gesundheitsorientierte Praxis. Bei regelmäßiger Ausübung stellt sich aber oft auch ein Interesse für spirituelle und tiefere Erfahrungen ein.
Yoga sieht den Menschen stets in seiner Gesamtheit von Körper, Geist und Energien. Die Übungen können auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt und als Fitnesstraining, Krankheitsvorbeugung, Therapie- und Heilungsmethode, Stressvorbeugung und -abbau eingesetzt werden. Yoga-Übungen können rein körperlich, aber auch nach spirituellen oder energetischen Gesichtspunkten praktiziert werden.
Asanas
Die Asanas, die Körperstellungen, sind der bekannteste und am meisten praktizierte Bestandteil im Yoga. Es heißt, es gebe 8, 4 Millionen verschiedene Asanas, nämlich so viele, wie es Arten von Lebewesen im Universum gibt. Viele Stellungen sind auch tatsächlich nach Tieren benannt, wie Hund, Kobra, Heuschrecke oder Kaninchen. Die Übungen werden nach ihrer Wirkung und ihrem Nutzen eingeteilt: Die vier Meditationsstellungen sind Padmasana (Lotussitz), Sukhasana (Schneidersitz), Swastikasana und Siddhasana (Varianten des kreuzbeinigen Sitzes). Diese Asanas sollen die Nerven beruhigen, entspannend und ausgleichend wirken und so die Meditation vorbereiten und durchführbar machen. Geübte können stundenlang bequem und ohne Schmerzen im Sitzen verbringen. Die feste, gehaltene Asana konzentriert den Geist und führt so zur Meditation.
Die Stellungen zur Übung des Körpers können wiederum unterteilt werden in stehende und sitzende Asanas, Vor- und Rückbeugen, Dreh- und Umkehrhaltungen sowie Asanas im Liegen. Die Körperübungen harmonisieren und regen die inneren Organe wie Herz, Lunge, Gehirn, Verdauungsorgane und Hormondrüsen an. Auch Muskeln, Gelenke und das Gleichgewicht werden trainiert. Die Wirbelsäule bleibt elastisch, wodurch Rückenschmerzen vorgebeugt wird. Die Duchblutung verbessert sich und der Körper wird leistungsfähiger. Gleichzeitig gewinnt man ein besseres Körpergefühl. Bestimmte Asanas helfen gegen bestimmte Krankheiten.
Die Wirkungen der Asanas gehen aber über die rein körperliche Ebene hinaus: So bringen sie Körper, Geist und Seele ins Gleichgewicht, schenken Entspannung und verbessern geistige Fähigkeiten und Intuition.
Pranayama
„Prana“ bezeichnet eine bestimmte Form der Lebensenergie, die vor allem über die Luft aufgenommen wird. „Ayama“ bedeutet „kontrollieren“, das heißt Pranayama wird ausgeübt, um den Prana-Fluss im Körper zu kontrollieren und harmonisieren. Durch regelmäßiges Üben wird das Lungenvolumen gesteigert und der Gasaustausch in den Lungen optimiert. Dies beugt Krankheiten im respiratorischen System vor, reguliert Puls und Blutdruck und erzeugt ein Gefühl von Wachheit und Energetisierung.
Durch Beobachten, Lenken und Vertiefen der Atmung wird der Geist beruhigt. Unbewusste Atemmuster werden bewusst gemacht: Wer zum Beispiel Angst hat oder aufgeregt ist, atmet schnell und flach. Durch bewusste und tiefe Atmung kann man seine Emotionen beruhigen.
Pranayama stellt somit die Verbindung zwischen Körper und Geist dar.
Es gibt viele verschiedene Atemtechniken und -übungen, in denen mit verschiedenen Muskelgruppen gearbeitet wird und die in verschiedenen Situationen angewandt werden. So gilt beispielsweise die Feuer- oder Schnellatmung, Kapalabhati, als sehr reinigend, während die Wechselatmung harmonisierend auf Mond- und Sonnenenergie wirkt und das Zusammenspiel von rechter und linker Gehirnhälfte verbessert.
Shavasana
Shavasana, die Totenstellung, wird zur Tiefenentspannung von Körper und Geist angewandt. Stresshormone werden abgebaut, Glückshormone ausgeschüttet. Die vollkommene Entspannung beruhigt auf den Kreislauf, beugt Krankheiten vor und hinterlässt geistige Klarheit und innere Ausgeglichenheit. Shavasana beendet jede Yoga-Stunde und kann auch zur Mediation angewandt werden.
Richtige Ernährung
Gesunde Ernährung spielt eine wichtige Rolle für das allgemeine Wohlbefinden. Yogische Ernährungsregeln beachten dabei nicht nur die Wirkung auf den physischen Körper, sondern auch auf Lebensenergie, Gefühlswelt und Geist. Die Nahrung soll gesund, lecker und einfach zuzubereiten sein, Energie und geistige Klarheit erhöhen und den Anforderungen der Yoga-Schriften entsprechen. Es handelt sich zumeist um Vollwert- und vegetarische Kost.
Lebensmittel werden in drei verschiedene Kategorien eingeteilt:
Tamasige Nahrung sollte gemieden werden, da sie Körper und Geist träge macht, Giftstoffe enthält und den Energiefluss hemmt. Beispiele sind faule Lebensmittel, Zwiebeln, Knoblauch,Tabak, Alkohol, Drogen, Tiefkühlkost und Konserven. Auf Fleisch, Fisch und Geflügel sollte verzichtet werden, da jeder Gedanke ans Töten Geist und Seele verunreinigt. Auch zu viel Essen ist tamasig.
Rajasige Nahrung sollte nur in Maßen verzehrt werden, da sie Körper, Geist und Seele unruhig macht. Dazu zählen Eier, koffeinhaltige Getränke, Weißbrot, weißer Zucker, scharfe Gewürze, zu saures und bitteres Essen. Auch zu hastiges Essen und ungenügendes Kauen sind rajasig.
Guten Gewissens zugreifen kann man bei sattwiger Nahrung: Sie bringt wertvolle Nährstoffe und neue Energie, ist leicht verdaulich und verschafft dem Geist Klarheit. Getreide, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse sowie Milch und Milchprodukte sollten in großer Vielfalt auf dem Speiseplan stehen.
Allgemeine Tipps für die Ernährung hat Swami Sivananda formuliert. Unter anderem sollte man mäßig und mit Genuss und Dankbarkeit essen, nach dem Essen eine halbe Stunde ruhen, nur essen, wenn man tatsächlich Hunger hat und einmal pro Woche einen Fastentag einlegen.
Kriyas
Kriyas sind Reinigungstechniken, die den physischen Körper rein machen sollen. Sie haben aber eine geringere Bedeutung als die anderen Säulen des Hatha Yoga, weil sie nicht in allen Yoga-Schulen gelehrt werden. In den Hathayogapradikipa werden sechs Kriyas beschrieben, Shatkriyas oder Shatkarmas genannt:
- Trataka (der Blick wird auf ein Objekt in ein bis drei Metern Entfernung fokussiert)
- Neti (Nasenspülung)
- Kapalabhati (Lungenreinigung durch Schnell- oder Feueratmung)
- Dhauti (Reinigung des oberen Verdauungstraktes)
- Nauli (Darmreinigung durch bestimmte Atmung und Bewegung)
- Basti (Einlauf)
Der Körper gilt als „Tempel der Seele“ und soll als solcher gepflegt und geachtet werde, ohne dabei als wichtigster Teil des Seins zu gelten. Auch die tägliche Hygiene gehört zu den Kriyas, zum Beispiel Waschungen und das Entfernen von Belägen auf der Zunge. Dazu ist zu sagen, dass zur Entstehungszeit des Yoga-Systems solche Körperhygiene keine Selbstverständlichkeit war wie heutzutage.
Positives Denken und Meditation
Durch Entspannung, Konzentration und positive Affirmationen lernt man, seine Gedanken positiv zu beeinflussen. Dies ist wichtig, da Gedanken manifeste Erfahrungen und Ereignisse beeinflussen und hervorrufen. Positive Gedanken erzeugen positive Schwingungen und damit positive Ereignisse und Gefühle. Umgekehrt ziehen negative Gedanken negative Folgen nach sich. Meditation hilft, den Geist zu beruhigen und in eine bestimmte Richtung zu lenken.
Ohne Lenkung ist der Geist ständig in Bewegung. Durch Meditation wird das Karussell der Gedanken angehalten, was Stress und Hektik abbaut und zu innerer Ruhe und Ausgeglichenheit führt. Durch Asanas, Pranayama, Kriyas, die richtige Ernährung und häufiges Üben werden Körper und Geist auf die Meditation vorbereitet. Meditieren bedeutet eigentlich nur, den Geist auf eine bestimmte Sache zu konzentrieren. Dies kann ein Mantra sein, der Atem, ein bestimmtes Bild, das Licht einer Kerze, ein Geruch oder eine Kombination der aufgezählten Dinge.
Eigentlich ist Meditation keine Tätigkeit, sondern ein Zustand, den man erreicht, wenn man den Geist genügend auf eine Sache konzentrieren kann. Wenn man seinen Körper vergisst, keinen Gedanken mehr hat und nur noch im reinen Bewusstsein ist, hat man den Zustand der Meditation erreicht, den Patanjali als Dhyana bezeichnet. Der Einfachheit halber wird im allgemeinen Sprachgebrauch aber auch der Weg zu diesem Zustand als Meditation bezeichnet.
Meditation reguliert den Blutdruck, erhöht Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, baut Gelassenheit und Selbstwertgefühl auf sowie ein Gefühl der Liebe und der Verbundenheit mit dem gesamten Universum.
Abgrenzung zum Bikram Yoga
Bikram Yoga ist eine Form von Hatha Yoga, die sich vor allem auf Asana und Pranayama konzentriert. Die 26 Asanas, die beim Bikram Yoga praktiziert werden, wurden von Bikram Choudhury aus dem klassischen Yoga ausgewählt und in eine bestimmte Reihenfolge gebracht. Im klassischen Yoga wird auch nicht in aufgeheizten Räumen trainiert, sondern bei normaler Zimmertemperatur oder im Freien.
Ohne die Hitze von außen muss der Körper „manuell“ aufgewärmt werden, bevor man mit den Asanas beginnen kann. Daher beginnt jede Yoga-Stunde mit einigen Runden der berühmten Sonnengrüße. Der Sonnengruß ist nichts anderes als eine fließende Abfolge mehrerer Asanas, die jeweils mit einer bestimmten Atmung verbunden werden. Dadurch werden alle Muskeln und Gelenke des Körpers gut aufgewärmt und der Geist auf die bevorstehende Asana-Praxis fokussiert. Im Bikram Yoga fallen die Sonnengrüße weg, da das Aufwärmen des Körpers durch die Hitze von außen gegeben ist.
Zudem gibt es insgesamt sehr viel mehr Asanas, Variationen von Stellungen und verschiedenste Atemübungen als die, die Bikram Choudhury verwendet. Hatha Yoga ist ein sehr allgemeiner Begriff, der verschiedene Yoga-Stile umfasst: Ashtanga Yoga konzentriert sich auf den achtfachen Pfad Patanjalis, Iyengar Yoga achtet sehr auf eine korrekte Durchführung der Asanas und bietet viele Hilfsmittel zur Erleichterung an, Kundalini Yoga setzt den Schwerpunkt auf die Erweckung der inneren Energien und im Anusara Yoga wird die Vereinigung mit dem Göttlichen in den Mittelpunkt gestellt, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Bikram Yoga ist die einzige Yoga-Art, die die Stellungen mit großer Hitze verbindet.