Sei mal lieb! Wir sind alle eins

Selten wird uns im Alltag bewusst, wie sehr wir anderen unser Leben verdanken. Mehr noch: Die Güte und die wohlmeinenden Bemühungen unserer Mitmenschen nehmen wir zu oft sogar als selbstverständlich hin. Doch wenn wir einmal innehalten und uns klarmachen, dass wir alle voneinander abhängig sind, dann realisieren wir, dass alles, was wir haben, was wir wissen und alles, was wir tun können, erst durch die Liebenswürdigkeit anderer möglich wurde.

Denken Sie nur an Ihr heutiges Mittagessen. Woher kam das? Einige Leute haben es angebaut, andere haben es geerntet, wieder andere alles transportiert und verpackt. Und dann sind da noch die Menschen, die es in die Supermarktregale sortiert haben, die Person an der Kasse und natürlich die, die es womöglich noch zubereitet haben. Ohne die Hilfe all dieser Menschen hätten Sie keinen einzigen Bissen auf der Gabel gehabt. Sie sagen jetzt vielleicht: „Ich habe das Essen doch mit meinem Geld bezahlt.“ Das stimmt, aber woher kam dieses Geld? Jemand hat es Ihnen gegeben. Auch wenn Sie dafür gearbeitet haben, brauchen Sie immer noch einen Arbeitgeber, der Sie einstellt. Und dann die zahlenden Kunden, die Kollegen in der Lohnbuchhaltung, die Bankmitarbeiter und noch viele mehr.

„Aber das tun sie doch nicht nur für mich“, werden Sie vielleicht entgegnen. „Alle diese Menschen arbeiten dort, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“ Doch deren Arbeitsmotivation ist hier nicht weiter wichtig. Fakt ist: Würden andere nicht das tun, was sie tun, würde Ihnen weiter der Magen knurren. Nur dank ihrer harten Arbeit und Bemühungen können Sie (und ich) essen. Das macht sie definitiv zu liebenswürdigen Menschen!

Wie viele von uns halten einmal inne, um denjenigen zu danken, welche die Glasfaserkabel in unserem Zuhause verlegt haben? Die alle Strom und Telefonleitungen reparieren, den Müll abholen oder als Straßenbauer arbeiten. Manchmal fühlen wir uns von ihnen stattdessen in unserem Tagesablauf gestört! Dabei arbeiten alle diese Menschen bei großer Hitze, im strömenden Regen, in finsterster Nacht – und wir profitieren sehr von ihren unermüdlichen Anstrengungen.

Wenn wir einmal in Ruhe über dieses umfassende Netz voneinander abhängigen Beziehungen nachdenken, das uns mit allen Lebewesen verbindet, dann erkennen wir, dass wir nur durch sie überhaupt existieren können. Durch ihre harte Arbeit und ihre Güte. Wenn wir uns dieser Tatsache gegenüber öffnen, wird unsere Dankbarkeit und das Gefühl von Gemeinschaft mit anderen zunehmen und konstant bleiben. Und dies wiederum schafft eine feste Basis, um Liebe und Mitgefühl zu entwickeln.

Übung: Wählen Sie etwas, das Sie oft benutzen, eine Aktivität oder Fähigkeit. Machen Sie sich bewusst, wie viele Lebewesen diesen Teil Ihres Lebens ermöglichen. Sehen Sie darin einen Akt der Güte und entwickeln Sie ein Gefühl von Dankbarkeit. Sie sind Empfänger großer Liebenswürdigkeit. Der Wunsch, das zurückzugeben, wird sich einstellen.

Lesetipp:

Passend zum Thema hat Thubten Chodron gemeinsam mit dem Psychologen Russell Kolts das Buch „Die Weisheit eines offenen Herzens“ herausgegeben. Die deutsche Erstausgabe erscheint im Arbor Verlag.

Thubten Chodron (*1950 in Chicago) ist eine tibetisch-buddhistische Äbtissin und Dharma-Lehrerin. Sie studierte jahrelang in Indien und Nepal, u. a. bei S. H. dem Dalai Lama. Als eine von nur wenigen westlichen Frauen wurde sie 1986 in Taiwan als Bhikkhuni voll ordiniert. 2003 gründete sie das Kloster Sravasti Abbey in Newport, Washington. Weitere Infos und Videos auf thubtenchodron.org.

Fotos: Unsplash.com/Daan Stevens; Arbor Verlag

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