In unserer Interview-Serie „The Moment“ stellen wir regelmäßig Menschen vor, die Veränderungen in ihrem Leben wollten, sich ihnen gezwungenermaßen stellen mussten oder sich dafür einsetzen, selbst „change“ anzustoßen. Einige faszinierende Persönlichkeiten aus ganz unterschiedlichen Bereichen stellen wir in der ersten Ausgabe von Enough ausführlich oder in aller Kürze vor. Von bekannten Gesichtern zu stillen Helden mit außerordentlicher Ehrlichkeit und großem Mut.
Doch auch zwischendurch wollen wir hier auf unserer Website besonderen Persönlichkeiten ein Forum bieten, uns von Zäsuren in ihrem Leben zu erzählen. Schließlich lernen Menschen am liebsten von anderen Menschen. Lassen Sie sich inspirieren, einfach besser (zu) leben.
Als ich sie vor Jahren kennenlernte, war Riccarda Kolb noch für die Beautymarke Yves Saint Laurent als PR-Manager aktiv – und das wohl fröhlichste Gesicht der Branche. Sie strahlte schon damals eine wahnsinnig positive Energie aus, lange ehe ich über Karma und dergleichen ernsthaft nachdachte. Mit der Übernahme von YSL durch L’Oréal wechselte Riccarda von der Isar an den Rhein, tauschte ein kleines Vertriebsunternehmen mit einem Kosmetikkoloss.
Bis es Zeit war für eine radikale Kurskorrektur und Riccarda sich und ihre Karriere als Yogalehrerin neu erfand. Eine aufregende Zäsur, über die wir natürlich für Enough unbedingt mit ihr sprechen mussten.
Riccarda, beschreib uns bitte in aller Kürze deinen beruflichen und privaten Hintergrund.
Ich bin Yogalehrerin und Juristin. Eine ziemlich seltene Mischung. Deshalb halten mich alle meine Jura-Freunde für einen Hippie. Und den Yogis verrate ich lieber erst gar nicht, dass ich studierte Juristin bin. Ach ja, und PR für Luxuskosmetik habe ich eben auch mal gemacht.
Was war dein Berufswunsch als Kind?
Ich wollte Prinzessin und Lehrerin werden – beides bin ich geworden. Ich liebe es, Yoga zu unterrichten und am Ende einer Stunde das Leuchten der in den Augen zu sehen. Und Prinzessin, weil ich es wundervoll finde, ein Mädchen zu sein, die Welt zu bereisen und es mir und meinen Freunden gut gehen zu lassen. Ich bin Münchnerin und wurde damals von L’Oréal aus meiner Heimatstadt nach Düsseldorf „weggekauft“. Halb so schlimm, doch zwei Dinge vermisse ich in Düsseldorf: die bayerischen Seen und einen echten (!) Biergarten.
Was weiß niemand über dich?
Dass ich alles immer wieder genauso machen würde. Seit ich 30 bin, finde ich das Leben richtig gut!
Was war deinen Eltern wichtig für dich?
Eine solide Ausbildung und viel frische Luft.
Was war dir früher wichtig?
Immer volle Power und Erfolg haben, zeigen, das ich meinen Job kann. In den Augen anderer als Manager Respekt zu verdienen.
Wie siehst du das heute?
Erfolg ist schön, etwa um Geld zu verdienen. Ich bin aber inzwischen viel lieber im Hintergrund. Reisen und meine Gesundheit gehen jetzt immer vor. Sowie ich merke, dass mein Ohr von meinem früheren Gehörsturz wieder lauter rauscht, mache ich einen Tag Pause. Ein Tag ist für mich heute dann erfolgreich, wenn ich wieder ein paar meiner Yoga-Schüler glücklich machen konnte und vor dem Burnout bewahren konnte.
Was war der bisher größte Wendepunkt in deinem Leben?
Das war noch während meiner Zeit als PR-Manager bei L’Oréal, als ich morgens plötzlich mit einem Gehörsturz aufgewacht bin. Ich lag dann im Krankenhaus, an einem Samstag, und hing an einem Infusionstropf. Ein sehr furchteinflößender, extrem einsamer Moment, den ich damals ganz bewusst abgespeichert habe, um ihn immer wieder dann abrufen zu können, wenn ich wieder über meine Grenzen schießen will. Ich habe innerlich kopfschüttelnd dort gelegen und mich laut gefragt: „War es das jetzt alles wert? Du wohnst in einer Stadt, in der Du niemanden kennst, weil Du nur arbeitest, und bist krank vor lauter Stress. Du schläfst nicht mehr gut und das Büro ist Dein einziger Zufluchtsort.“
An diesem Punkt, in meiner größten Krise, habe ich mich dann Stück für Stück mehr auf das besonnen, was ich am meisten liebe: Yoga. Über viele Monate hatte ich Matte und Sonnengruß komplett vergessen, hatte für nichts neben dem Job Zeit. Noch im Krankenhaus fasste ich dann den Entschluss, meine Yogalehrer-Ausbildung zu „reaktivieren“, die einige Jahre zuvor während eines Sabbaticals in New York gemacht hatte. Jetzt wollte ich einen echten Beruf daraus machen. Ein unglaublich befreiendes Gefühl, das spüre ich heute wie damals, endlich das zu machen, was ich eigentlich schon lange wollte. Schade war nur, dass ich dafür erst krank werden musste.
Mein Plan stand fest: Ich werde erstmal wieder gesund, und mache nicht noch den gleichen Fehler. Nicht ganz einfach war es, die ewigen Fragen meiner Freunde und Kollegen zu beantworten: „Ja, und was machst Du denn jetzt eigentlich? Wirfst du ohne Plan deine Karriere hin?“ Wenn ich dann antwortete „Mein Plan ist, wieder gesund zu werden“, erntete ich manchmal ziemlich verwunderte Blicke. Dabei finde ich es nach wie vor den wichtigsten Plan, den ich je gefasst habe. Natürlich haben mir meine Finanzen schlaflose Nächte bereitet und ab und an tun sie es heute noch. Die ersten drei Jahre waren richtig harte Aufbauarbeit. Ab dem fünften Jahr kann man ruhig atmen und ab dem siebten Jahr macht es dann finanziell endlich Sinn.
Ich vertraue darauf, dass sich meine Träume erfüllen. Dass ich die Zeichen auf dem Weg erkennen werde – und das alles so kommt wie es kommen soll. Dieses Urvertrauen hatte ich schon immer. Mein heutiges Yogastudio, karmakarma, wurde mir damals quasi auf einem Silbertablett gereicht. Aber nur, weil ich die klare Entscheidung für Veränderung getroffen hatte und Altes losließ. You can’t start the next chapter of your life if you keep re-reading the last one. Für Deine Träume musst Du bereit sein, zurückzustecken. Ich habe fünf Jahre in einer kleinen Wohnung gewohnt, und seit ich bei L’Oreal aufhörte, habe ich kein Auto mehr. Mein schönster Tag war der letzte in der Firma. Ich bin am Rhein entlang nach Hause geradelt. Ohne Firmenhandy und Firmenwagen. Einfach frei.
Wie sah früher dein Alltag aus?
Ab 8 Uhr im Büro sein, abends total erschöpft heim, viel Zeit auf Flughäfen verbringen … Ich habe meine Ziele jeden Tag höher gesetzt und irgendwann einfach nur noch wie eine Wühlmaus abgearbeitet.
Wie läuft heute ein typischer Tag in deinem Leben ab?
Ich starte morgens mit Meditation und radele danach zum Karlsplatz, um meinen Lieblings-Cappuccino zu trinken und den Tag zu planen. Ich unterrichte im Schnitt dreimal am Tag und verbringe viel Zeit mit dem Studio-Management. Ich teile meine Pausen ein, gehe zwischendrin spazieren und immer lecker und in Ruhe Mittagessen. Der Abend ist oft lang, abends ist die Haupt-Yogazeit. Aber dafür habe ich tagsüber häufig Luft, private Dinge zu erledigen und etwas auszuspannen. Ich arbeite gefühlt nicht viel weniger, nur eben ganz anders: in meinem Tempo und nach meinem Geschmack. Mein größtes Lob: die Gesichter, die nach der Yogastunde ein „Danke“ ausstrahlen, gechillt, wie nach einem großen Joint.
Deine drei besten Eigenschaften?
Hingabe, Humor und Vertrauen.
Deine drei größten Herausforderungen mit dir?
Nein zu sagen. Grenzen zu setzen. Allen helfen zu wollen.
Was bringt dir Freude?
Natur, Yoga, Reisen, Neues zu entdecken und zu lernen. Ich will keinen Stillstand, baue lieber mal Mist und stehe wieder auf. Das Leben überrascht, verwöhnt und steckt voller Kreativität.
Was macht dir Sorgen?
Dass auch Yogis häufig nicht unbedingt netter miteinander umgehen als Nicht-Yogis.
Drei Lieblingsbücher.
„Das Herzenhören“ von Jan-Philipp Sendker: So viele Yoga-Weisheiten in einer sehr spannenden Geschichte.
„Der Drachenläufer“ von Khaled Hosseini: Eine Geschichte, die mich sehr berührt hat.
„Yoga for Real Life“ von Maya Fiennes: Ich liebe ehrliche Menschen, die mir gute Tipps geben.
Drei Lieblingsfilme.
„How to Cook Your Life“ von Doris Dörrie: In diesem Film habe ich das erste Mal über einen verbeulten Teekessel geweint.
„Plötzlich Gigolo“ mit John Turturro: Von Mr. Bongo kann man so viel lernen.
„Notebook (wie ein einziger Tag)“ nach dem Buch von Nicholas Sparks: Ich liebe Schnulzen und Filme, die meinen Glauben an die echte Liebe bestärken. Ich bin eine Romantikerin, durch und durch.
Eine Serie zum Am-Wochenende-Durchgucken.
Da gibt es bei mir wirklich nichts, ich schaue fast nie fern.
Drei Menschen, die in deinen Augen Vorbilder sind.
Meine Schwester, sie ist ein Buddha – und das ganz ohne Yoga. Und dann alle Menschen, die nach schweren Niederlagen wieder aufstehen und alle, die den Mut haben, ihre Träume zu leben.
Wenn du ein Problem der Welt lösen könntest, welches würdest du wählen? Warum?
Ich würde allen tägliche Meditation verordnen, um endlich Frieden zu erreichen.
Das größte Kompliment, das du je bekommen hast?
So geliebt zu werden wie ich bin.
Wie lautet dein persönliches Mantra?
„And at the end of the day, your feet should be dirty, your hair messy and your eyes sparkling.“ Leb dein Leben!!!!