The Moment mit Det Mueller, Lohas-Blog

Mit Enough bewegen wir uns mit unseren Lesern immer wieder neugierig und kreuz und quer durch viele hochspannende Communities – von verschiedenen Ernährungsweisen über Fitnessriten bis zu gesellschaftspolitischen Bewegungen und unsere Welt (zum Guten) verändernden Start-ups. In unserer ersten Ausgabe haben wir beispielsweise verschiedene deutschsprachige Blogger, Aktivisten und Business-Gründer zu ihrem prägendsten „Change“-Moment befragt.

Und wie immer, wenn man mit Menschen spricht, die sich etliche Gedanken mehr machen als andere, fällt so viel „food for thought“ der Kürzungsschere zum Opfer. Doch dank unserer Website haben wir zum Glück die Möglichkeit, Ihnen die Antworten unserer nachdenklichen, inspirierenden Interviewpartner nach und nach in voller Länge präsentieren zu können.

Der ehemalige Werbeprofi Det Mueller hat als Berater und Creative Director die visuelle Kommunikation vieler Kunden und Marken geprägt, optimiert oder überhaupt erst entwickelt. Diesen fachlichen und kreativen Hintergrund nutzt er seit 2009 auf ganz neue Art: als Gründer und sehr engagierter, seine Leser fordernder Autor des Lohas-Blogs und an der Staffelei. Ein offenes Gespräch mit einem mutigen „Spätzünder“ im besten Sinne.

Was war Ihre größte persönliche Veränderung, die Sie in Ihrem Leben in den letzten Jahren vorgenommen haben bzw. vornehmen mussten? Und wie haben Sie sich dafür motiviert und alles erfolgreich durchgestanden?
Gerne redet man nicht über Fehlschläge, Verluste und das Scheitern. In unserem Land. Woanders ist das anders und selten wird einem dort nach Niederlagen generell die Fähigkeit abgesprochen Großes zu leisten. Bei uns verhindern Gesetze und die Reglungen zur Insolvenz sich kraftvoll aus der Asche wie Phoenix erneut zu erheben. Ich habe nach fast 20 Jahren erfolgreicher Design- und Konzeptarbeit meine Werbeagentur aufgeben müssen. Crash. Insolvenz. Peng. Das Leben wird in nur wenigen Monaten zu einem völlig anderen. Totaler Verlust aller Insignien des Wohlstands und für viele auch der Würde. Jahrzehntelange Altersvorsorge und Ersparnisse weg in Minuten. Nackt steht man da. Allein und hilflos. Verwirrt.

Wer das überlebt, nicht mit Suizid oder Wegrennen reagiert, hat mindestens aber zwei Möglichkeiten: Man fängt neu an oder man besinnt sich endlich auf andere Werte. Solche nämlich, über die man selbst in Zeiten der eigenen Begünstigung nie nachgedacht hatte. Dankbarkeit, Wertschätzung und Demut.

Für viele Menschen leider nur gängige und angesagte Schlagworte. Wer diese Zeit aber anders begreift, etwa als Ruhephase um das Downshifting in sich aufzunehmen, die Entschleunigung lieben lernt, kommt zu neuen Überlegungen und Wertbegriffen. Ich hatte schon seit einigen Jahren Lohas als Marketingbegriff kennengelernt und mich ab und an damit befasst. Nichts lag also näher, als mich jetzt täglich darum zu kümmern, zu lernen und mit meinen Texten auf dem Lohas-Blog andere Menschen in ihren Vorhaben zu unterstützen und Dritte darüber zu informieren. Heute unter dem besser geeigneten Dach der Nachhaltigkeit.

Grafik und Werbung zu machen ist mir noch einige Zeit per Gesetz verboten, aber schreiben darf ich und Kunst machen darf ich auch. Komisch oder? Beide sind viel kraftvoller als Werbung. Der Lohas-Blog wird so in diesen Tagen schon 8 Jahre alt. Wer hätte das gedacht. Und als Künstler ‚Mario van Middendorf’ darf ich auch schon 5 Jahre arbeiten. Teilweise mit größerem Erfolg, als ich mir je hätte träumen lassen. Schließlich bin ich bereits 62 und kein junger Wilder mehr. Aber gerade junge Menschen kommen überwiegend auf meine Ausstellungen und lesen ebenso den Lohas-Blog. Was mich beides sehr freut.

Fazit: Kommst Du in Deinem Leben an den Punkt, wo die letzte Ausfahrt Brooklyn heißt, und damit Abstieg, verlass Dich ausschließlich auf Dein Herz und Deinen Bauch. Vergiss die bürgerlichen Fesseln und überdenke in echter Ruhe Deinen Status Quo und Deine Möglichkeiten. Behalte auf jeden Fall und in jeder Situation (etwa auf dem Arbeitsamt) Deine Würde. Niemand kann sie Dir nehmen, wenn sie echt ist und nichts mit Überheblichkeit zu tun hat. Überlege, was Du alternativ schon immer machen wolltest. Fang jetzt damit an. Nie war die Zeit besser.

Ich selbst beschloss mit 56 Jahren Künstler zu werden und war schon in US-Magazinen und in der deutschen „Elle“. Geht doch. Und hab fast alle Versicherungen gekündigt, ADAC sowieso und manches Andere, von dem man uns immer einreden wollte, das müsste so sein. Brauchst Du nicht! Leben und Glücklichsein geht auch mit wenig Kohle, aber niemals ohne echte Liebe.

Wenn Sie für einen Tag die „Weltherrschaft“ übernehmen könnten (ganz friedlich, natürlich!), was würden Sie zuerst verändern?
Ein Tag ist wenig, dachte ich erst, aber wenn man gravierende Änderungen vornimmt mögen auch 24 Stunden die Welt ändern können. Abgesehen davon, dass ich alle Mobiltelefone verbieten würde, weil diese Dinger den Begriff und den Sinn von Freundschaft vollständig ruiniert haben, würde ich alle Regierungen der Welt austauschen und jeden Politiker mit jahrelanger Sozialarbeit bestrafen, der vor den USA kuscht oder der Korruption und der Lüge verdächtig ist.

Mit USA meine ich nicht den Durchschnittsamerikaner, sondern jene, die seit jeher heimlich und unauffällig alle Strippen ziehen – die großen Geldgeber für fast alles Unheil auf der Welt. Und die Wegbereiter für internationale Korruption. Ob Banken oder Großkonzerne jeder Art.
[Weitere Gedanken zu diesem und anderen Themenkomplexen veröffentlicht Det Mueller auf dem Loha-Blog, über dessen Mission er sagt:]
Ich lege gern den Finger in Wunden und meine Sprache ist oftmals hart, aber meine Aufgabe auch. Ich will wachrütteln und Menschen aus ihrer Lethargie führen. Bei dem Thema Nachhaltigkeit geht’s nicht um Gänseblümchen oder Birkenstock-Sandalen. Diese Latzhosen-Zeiten sind vorbei. Heute ist der Schutz von Umwelt, Mensch und Tier mit Themen zu Ernährung, Energie, Produktion, Ausbeutung, Kinderarbeit und der Dauerverharmlosung durch Regierungen und ihre Widersprüchlichkeiten, ein harter Kampf geworden. Man kann sich dabei weder auf ‚Grüne’ verlassen, noch auf Minister, deren Ressorts Umwelt und Menschen beinhalten. Die Restriktionen, denen sie als Politiker unterliegen sind größer, als ihre Ideale. Obama ist an solchen gescheitert!

Also muss man den Kampf für etwas Gutes selbst in die Hand nehmen. Der lässt sich zwar auch durch Demos günstig beeinflussen, besonders aber durch den dauerhaften Einsatz und den Kampf mit modernsten Waffen – Kopf, Wissen, Computer, Netzwerke, Gewitzheit, Humor (!), Schlauheit und Mut. Investigativer Journalismus im Mini-Format.

Hat jemand Lust mitzumachen? Mir fällt gerade auf, dass ich alt werde und das Ding nicht ewig selbst machen kann. Zwei bis drei engagierte Menschen, die gut schreiben können und Herzblut investieren wollen. Unentgeltlich versteht sich. Denn der Lohas-Blog wirft kaum Einnahmen ab. Was aber auch gut ist. So bleibt er unabhängig. Unabhängigkeit zählt zu den großen Werten der heutigen Zeit.

Welche drei Persönlichkeiten haben Sie kürzlich besonders inspiriert? Wen bewundern Sie?
Bewunderung ist ein Begriff, der in meinem Wortschatz nicht mehr vorkommt. Inspiration finde ich allerdings fast täglich in der Musik und beim Lesen oder Stöbern im Web. Mein ehrlicher Respekt gehört aber jenen, die oft namenlos bleiben und dennoch unglaubliche Dinge für andere Menschen leisten.

Zuweilen organisiert im ‚Ehrenamt’ ohne die unser Staat gar nicht mehr existieren könnte. Oder auch jene, schlecht bezahlt, die bei Polizei, Feuerwehr, Notdienst, Pflege, Altenversorgung, Kinderbetreuung, Schule etc. täglich ihre Würde nicht selten sogar ihr Leben aufs Spiel setzen, damit es uns gut geht. Sind wir dankbar dafür? Bist Du dankbar dafür? Hast Du überhaupt je darüber nachgedacht?

Mein Herz gehört aber auch jenen, die mit Team oder allein, für ähnliche Werte kämpfen wie ich. Finanziell oft schlecht aufgestellt oder nur von Spenden lebend. Wie Thilo Bode und sein Verein foodwatch. Oder das Ehepaar Bettina und Reinhard Behrend und ihr Projekt Rettet den Regenwald e.V.. Oder die vielen Leute von campact – Demokratie in Aktion. Oder mein Freund Attila von Unruh, dem es wie mir ergangen ist, der aber aus der Not eine Tugend gemacht hat. Er gründete die einzige Beratung, der ich in Geldfragen trauen würde: Anonyme Insolvenzler, oder, oder, oder…es gibt viele, die anpacken.

So vergeht kein Tag, ohne, dass man die Chance bekommt den neuen ganz anders zu begehen! Die Hoffnung stirbt zuletzt und solange sie existiert wird es Mut geben und Menschen, die den täglich aufbringen.