The Moment mit Bertold Raschkowski, FiveByNine

Mit Enough bewegen wir uns mit unseren Lesern immer wieder neugierig und kreuz und quer durch viele hochspannende Communities – von verschiedenen Ernährungsweisen über Fitnessriten bis zu gesellschaftspolitischen Bewegungen und unsere Welt (zum Guten) verändernden Start-ups. In unserer ersten Ausgabe haben wir beispielsweise verschiedene deutschsprachige Blogger, Aktivisten und Business-Gründer zu ihrem prägendsten „Change“-Moment befragt.

Und wie immer, wenn man mit Menschen spricht, die sich etliche Gedanken mehr machen als andere, fällt so viel „food for thought“ der Kürzungsschere zum Opfer. Doch dank unserer Website haben wir zum Glück die Möglichkeit, Ihnen die Antworten unserer nachdenklichen, inspirierenden Interviewpartner nach und nach in voller Länge präsentieren zu können.

Mein Name ist Bertold Raschkowski, mein Jahrgang ist ein guter, wie ich finde: 1966. Veränderung könnte mein zweiter Name sein – wir konnten uns damals aber nur einen leisten.“ So stellt sich der Mann hinter dem Blog FiveByNine seinen Lesern selbst vor. Fast zu bescheiden, denn der Blogger, Start-up-Mentor und erfahrene E-Commerce-Stratege beschäftigt sich seit fast 25 Jahren mit dem Thema „Veränderung“ und seinen vielen Facetten. Viele Seminare hat Raschkowski in dieser Zeit besucht und „Tonnen an Büchern sowie Gigabyte von Webartikeln und E-Books verschlungen“. Enough erzählt er mehr über seine Reise bis heute.

Was war Ihre größte persönliche Veränderung, die Sie in Ihrem Leben in den letzten Jahren vorgenommen haben bzw. vornehmen mussten?
Die größte Veränderung in meinem Leben und eine, die zu vielen weiteren großen und kleinen Veränderungen geführt hat und somit Basis, Auslöser und Fundament für eben diese war und ist: Die Kündigung meines ziemlich gute bezahlten und vermeintlich sicheren Jobs in 2009. Die richtige und eine der besten Entscheidungen in meinem Leben!

Danach gab es zwei ziemlich intensive Trennungen mit ausgeprägtem emotionalem Höhenprofil. Seit Ende des letzten Jahres sieht es so aus, dass sich die Puzzle- oder Mosaik-Teile aller Entscheidungen, Begegnungen – privat wie geschäftlich, Ereignisse, Erfahrungen zu einem wunderbaren Bild zusammenfügen. Und das ist noch lange nicht fertig! ich freue mich auf jedes neue Teil(chen) und bleibe neugierig, wie das große Ganze heute Abend oder morgen aussieht. Oder übermorgen. Oder so…

Was ich in dieser Zeit gelernt habe:

1. Veränderungen sind nie isoliert. Sie haben Konsequenzen. Immer. Wir mögen nicht alle, viele kennen wir nicht, andere wirken erst sehr viel später. Und fast immer führen diese Konsequenzen zu weiteren Veränderungen. Die haben natürlich wieder Konsequenzen.

2. Veränderungen brauchen Ruhe und Stille. Nur so erkenne ich welcher Teil der Veränderung von aussen kommt und welcher wirklich meiner ist. Dazu gehört eine Mediendiät und eine selektive Ignoranz von Energiesaugern, Diplom-Zweiflern und Laut-Sprechern. Wenn ich dann weiss, was originär von mir kommt, habe ich die richtige Richtung für den ersten und alle weiteren Schritte. Veränderung von außen funktioniert nicht.

3. Keine echte Veränderung ohne Loslassen. Das ist so ziemlich das Schwerste. Loslassen. Dinge, Gewohnheiten, vermeintliche Sicherheit, Beziehungen, Glaubenssätze. Die neue Situation gibt es nicht schlüsselfertig. Ich muss Dinge oder Gewohnheiten abgeben, damit ich Platz und Kraft für neue schaffe. Woran ich mich in zig Jahren gewöhnt habe, werde ich nicht mit der Lektüre eines Buches und dem Besuch einer Motivationsveranstaltung wieder los. Das braucht Geduld. Viel Geduld.

4. Ich werde mit jeder Herausforderung, die ich annehme etwas besser – für neue Herausforderungen und insgesamt. Man könnte es als Trainingseffekt bezeichnen.

5. Wenn ich mitten in einer Veränderung bin, glaube ich häufig, dass ich stehe, dass sich nichts bewegt. Dass sich doch enorm viel bewegt kann ich jederzeit in meinem Tagebuch – meinem Veränderungs-Logbuch – nachlesen. Für mich eines der besten und wichtigsten Motivations- und Durchhalte-Werkzeuge überhaupt. Nein, nicht eines der besten – das Beste!

Wenn Sie für einen Tag die „Weltherrschaft“ übernehmen könnten (ganz friedlich, natürlich!), was würden Sie zuerst verändern?
Nachdem sich mir vor circa acht Jahren in einem Lokal jemand als „Der Herrscher der Welten“ – wohlgemerkt Plural: Welten – vorgestellt hat (kein Scherz) glaube ich, dass man insgesamt nicht ganz so sorgfältig mit der Auswahl des Personals ist. Ich habe mir dummerweise damals nicht seine Visitenkarte geben lassen. Und bei Facebook habe ich ihn auch nicht gefunden.
Wenn man Douglas Adams und dem Internet glaubt, werden wir ohnehin von Delfinen und Katzen regiert. Daher ist die Frage eigentlich sehr hypothetisch…

Aber zurück zur Ausgangsfrage, was ich verändern würde.

Mein Tag der Weltherrschaft beginnt gut ausgeschlafen mit einem gemütlichen Frühstück. Darauf folgt ein ausgiebiger Spaziergang an der frischen Luft. Meine erste und einzige Amtshandlung an diesem Tag ist: die finale Abschaffung der Weltherrschaft – die Stelle wird ersatzlos gestrichen!

So gerne wir über das Eine oder Andere (oder am besten über alles) herrschen möchten, niemand möchte beherrscht werden oder sich beherrschen lassen – wir können in diesem Fall also gerne die Be-Herrschung verlieren. Punkt.

Welche drei Persönlichkeiten haben Sie kürzlich besonders inspiriert bzw. wen bewundern Sie?
Prentice Mulford – für seine Weisheit und den Nachweis, dass man selbige auch als gescheiterter Gastronom oder mäßig erfolgreicher Zeitungs-Redakteur erlangen kann, wenn man in sich geht. Und dass es eine sehr gute Idee ist, permanent danach zu streben, als Mensch immer ein Stück besser zu werden.

Chris Guillebeau – mit seinem Buch „The Art of Non-Conformity“ war er für mich die Inspirationsquelle in meiner Umstiegsphase von der Festanstellung hin zum Freiberufler.

Ganz kürzlich: Eine liebe, feinfühlige und mit besonderen Gaben ausgestattete Freundin, die mir Dinge gezeigt hat, die ich bisher nicht oder nicht so gesehen habe. Und feststellen durfte, dass sie absolut richtig liegt.

Ich bewundere die Menschen, die in sich ruhen, ihren Weg gefunden haben und niemanden von der Richtigkeit ihres Weges und ihrer Erfahrungen oder „Erfolgsrezepte“ überzeugen oder „missionieren“ wollen, sie aber gerne teilen, wenn sie gefragt werden. Die Leisen eben.