Justin Bieber: Glaube, Liebe, Popsong

Wer sich einmal in die toxische Welt des Showbusiness gewagt hat, bleibt selten unversehrt. Nur sehr wenige bleiben ohne Narben, gleich ob am Körper oder auf der Seele. Vor allem, wenn einen das Scheinwerferlicht bereits in frühen Jahren erfasst, strahlen lässt und wieder und wieder wie ein Brennglas zu versengen droht. Justin Bieber passte perfekt in das Klischee vom Pop-Wunderkind, das nach einem kometenhaftem Aufstieg spektakulär in der Atmosphäre verglüht oder im Fall einen Krater in die Erde reißt. Doch durch Selbstreflexion und Gebete scheint der einstige Teenager, der zum globalen Idol wurde, (s)einen Weg zur Erlösung gefunden zu haben.

Was haben Justin Bieber und Jesus Christus gemeinsam? Zugegeben, das klingt zunächst blasphemisch bis behämmert. Einige Ähnlichkeiten sind trotzdem nicht zu verkennen. Beide, der Messias und der Musik-Millionär, stammen aus recht ärmlichen Verhältnissen. Beide erarbeiteten sich mit Entschlossenheit und harter Arbeit etliche follower, im einen Fall waren das zwölf Apostel, im anderen Twitter-Abonnenten und MP3-Downloads. Und Jesus wie Justin waren sich bei jedem Schritt sehr bewusst, dass in den Schattenbereichen rechts und links ihres Weges zahllose Menschen nur auf ihr Straucheln warteten. Es herbeisehnten.

KANYE WEST
Trotz seines (einstigen) Images als bad boy ist Kanye West ein gläubiger Christ, was man beispielsweise in „Jesus Walks“ und „Ultralight Beam“ heraushören kann.

Leicht zu verstehen also, dass der kanadische Sänger sich zu den Werten des Christentums hingezogen fühlt. Schon 2015 erklärte Justin Bieber, „wie Jesus leben zu wollen“. Um rasch hinzuzufügen, dass er damit nicht meine, wie Jesus zu sein. „Das könnte ich niemals erreichen, und so schräg sollte das auch nicht rüberkommen. Er war einfach ein ziemlich großartiges Vorbild dafür, wie man Menschen liebt und freundlich und barmherzig ist.“ Spätestens da reifte der Gedanke, der Superstar könnte nach mehreren schwierigen Jahren tatsächlich einem positiveren Ort angekommen sein.

Dabei war der Glaube schon immer eine wichtige Sache im Leben des 24-jährigen Multimillionärs. Seine Mutter, Pattie Mallette, war erst 18 bei seiner Geburt, sie widmete jedoch fortan ihr ganzes Leben der Erziehung ihres Sohnes und brachte ihm christliche Werte bei. Außerdem ermutigte sie ihn, sein enormes musisches Talent auszuleben. Als Justin Bieber mit zwölf begann, Videos auf YouTube zu veröffentlichen – anfangs nur für die Familie und enge Freunde – wurde er Upload um Upload zu einem Pop-Phänomen von bis dato nie gekanntem Ausmaß.

Eine so plötzliche und steile Karriere fordert ihren Tribut, und nach etlichen Jahren, gleichermaßen erfüllt von huldvoller Verehrung und genüßlicher Häme durch ein weltweites Publikum, rebellierte Justin Bieber. Ebenso öffentlich. Statt für Hitsongs geriet er mit flegelhaftem bis gefährlichem Verhalten in die Schlagzeilen: eine Festnahme für Alkohol am Steuer, eine Anzeige wegen illegaler Autorennen, Vandalismus im Haus eines Nachbarn … Später gab er zu: „Ich glaube, ich wollte damals mein Image ändern, und wenn ich zurückblicke, dann war diese Zeit voller Emotionen, die ich auf die falsche Weise rausließ“.

YUSUF ISLAM
Nach einer eindrucksvollen Karriere in den Siebzigern unter seinem christlichen Namen Cat Stevens, trat der „Father and Son“-Sänger zum Islam über. 30 Jahren im selbstgewählten Entertainment-Exil später kehrte er als Yusuf Islam und mit religiös inspirierter Musik ins Studio zurück.

An seine Kritiker gewandt, erklärte Bieber in einem anderen Interview: „Ich war kurz davor, mich von meinem Ruhm zerstören zu lassen. Ich kann wirklich nicht empfehlen, ein Kinderstar zu sein, das ist der taffste Job überhaupt. Das weiß jeder, der einmal in die Statistiken geschaut hat. Viele, die früh bekannt wurden, sind später daran zerbrochen und in manchem Fall komplett verrückt geworden.“

Die Rettung nahte in einer Januarnacht des Jahres 2014, als der damals 21-Jährige endgültig genug hatte von seinem ach so perfekten Leben als Teen-Gott. Und auch von seinem allerorts publizierten Aufbegehren. Im Moment größter Pein wandte er sich an Carl Lentz, einen Vertrauten und Pastor der New Yorker Hillsong-Gemeinde, und bat ihn um die Taufe. Was nun folgte, wäre ziemlich witziger Stoff für eine Comedy-Serie, hätte nicht die geistige Gesundheit eines jungen Mannes auf dem Spiel gestanden. Der Prediger und der Popstar irrten durch Manhattan auf der Suche nach einem geeigneten Ort für die dringliche Zeremonie. Schließlich rief Lentz seinen Kumpel Tyson Chandler an, einem Basketball-Profi der Phoenix Suns und mit 2,16 Metern Körpergrüße zudem Besitzer einer Badewanne im Pool-Format. Und genau darin wurde Justin Bieber wiedergeboren. Um 3 Uhr in der Frühe, irgendwo im Big Apple.

KATY PERRY
Sie küsste ein Mädchen und mochte es, doch vor ihrem Ruf als Pop-Provokateurin veröffentlichte die Pastorentochter ein Album mit christlichen Rocksongs unter ihrem Geburtsnamen Katy Hudson.

Seit diesem Tag gibt sich der Liebling aller „Belieber“ die größte Mühe, nicht vom rechten Pfad biblischer Tugenden abzukommen – in persönlicher wie künstlerischer Hinsicht. Der Geläuterte begnügte sich jedoch nicht damit, bloß ein Sprachrohr für moderne Formen des Glaubens zu werden, sondern schulterte die schwierige Aufgabe, die volle Verantwortung für sich und sein Verhalten zu übernehmen. 2015 erschien „Purpose“, sein viertes Studioalbum. Die tracks darauf sind roh, ehrlich, ohne Filter … und sicherten Justin Bieber wie zur Genugtuung nach umfangreicher Beichte, reichlich Applaus von Fans wie Rezensenten.

Klar gibt es Stimmen, die in der Religiosität des kürzlich noch wilden Popsängers eine Promotion-Masche vermuten, die ihn lieber heute als morgen wieder auf Paparazzi-Schnappschüssen in Ungnade fallen sähen. Ein gläubiger Showbiz-Überflieger liefert schließlich eher lahme Aufhänger für Posts und Storys. Dieses Meinungscamp werden auch Biebers Beteuerungen wie diese nicht überzeugen: „Ich bin Christ, ich glaube an Gott und daran, dass Jesus für meine Sünden am Kreuz gestorben ist. Ich glaube auch, dass ich eine direkte Beziehung zu ihm habe, mit ihm reden kann und er der Grund ist, dass ich hier bin.“ Klingt so ein PR-Gag? Vielleicht, für Zyniker!

CLIFF RICHARD
Der Erfolg seines christlichen Weihnachtshits „Mistletoe and Wine“ 1988 war Sir Cliff Richard nicht genug, er legte gleich zweimal nach: „Saviours Day“ (1990) und „The Millenium Prayer“ (1999).

Und dann sind da die Kontroversen rund um die Hillsong-Bewegung selbst, der Sekten-Züge nachgesagt werden. Für manchen Beobachter schien die Sache spätestens klar, als Biebers Freund, der Rapper Post Malone, dem Magazin „Rolling Stone“ von einer 10-Millionen-Spende des Sinnsuchers an die 1983 in Australien gegründete Megakirche von Brian Houston und seiner Frau Bobbie erzählte. Deren Beliebtheit, vor allem bei den so genannten Millenials, basiert zweifellos auf der hochprofessionellen Worship-Musik gleich mehrerer Hillsong-Bands, veröffentlicht auf dem eigenen Plattenlabel. Christlicher Glaube, nur cooler und leichter zugänglich als in traditionellen Gotteshäusern – zu diesem Erfolgsrezept passt Justin Bieber ebenso perfekt wie andere Gemeindemitglieder, darunter Selena Gomez, Hailee Steinfeld, Hailey Baldwin sowie Kendall und Kylie Jenner.

STORMZY
Der Londoner Grime-Rapper trägt seinen Glauben ganz öffentlich zu Markte und nannte sein Debütalbum „Gang Signs and Prayer“.

Für Puristen ist diese Modernisierung von Religion vulgär bis ungeheuerlich, sie beklagen, hier rücke der Ernst hinter das Entertainment. Zugleich lässt sich eine zaghafte Renaissance des Glaubens beobachten, in eben jenen jungen communities, die auch Stand-up Paddeling und veganer Küche zum Durchbruch verhalfen. Sich zu so rockig präsentierter Religion zu bekennen, hat Biebers Popularität keineswegs geschadet. Im Gegenteil, als er bei einem Konzert in Paris nur von der Gitarre begleitet den bekannten Lobpreis-Song „I could sing of your love forever“ anstimmte, sang die ganze Arena euphorisch mit.

Auf Biebers nächstem Album, das nach bisherigen Informationen Ende 2018 verfügbar sein soll, dürften sich einige Stücke mit christlichen Themen finden, von Liebe bis Erlösung. Die Frage ist nur, ob Justin, der tätowierte Jesus-Jünger, weiter in die Pop-Stratosphäre aufsteigen und dabei Anhänger zu praktizierenden Christen konvertieren kann. Oder ob seine Wandlung manchem Fans doch ein Psalm zu viel ist. Es könnte ihm dann schlimmstenfalls drohen, was er seit den ersten Clips auf YouTube nicht mehr erlebt hat: die Rolle eines Außenseiters.

Doch egal, was die Zukunft bringt, für den Moment ist eigentlich nur von Bedeutung, dass ein junger Mann, der den Nebenwirkungen seines Erfolges zu erliegen drohte, seine geistige Gesundheit mit Glaube und Gebet wiedererlangen konnte. Amen to that.

Übersetzung: Siems Luckwaldt
Fotos: PR via HubBranded

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ENGLISH VERSION:

FAITH IN THE FACE OF FAME

Navigating unscathed the toxic world of show business is a task achieved by very few who enter it, particularly when the spotlight has been thrust upon you so young, as was the case with diminutive popstar Justin Bieber. But through self-reflection and prayer, the teen idol-turned-rebel has finally found redemption.

What does Justin Bieber have in common with Jesus Christ? Of course, at face value that seems like a ludicrous question, but when you think about, similarities become apparent. Both were born into poverty, both, through their own resolve and hard work built up an impressive number of followers (albeit Bieber’s on Twitter!) and both were fully aware that there were persons waiting in the wings the very moment they stumbled.

KANYE WEST
Despite his bad boy image, Kanye West has a strong Christian faith, as showcased in such songs as Jesus Walks and Ultralight Beam.

It’s therefore easy to understand why the Canadian crooner would be drawn to the values of Christianity, and when in a 2015 interview Bieber declared that he “just honestly wanted to live like Jesus”, adding quickly, “not be Jesus – I could never – I don’t want that to come across weird… he created a pretty awesome template of how to love people and how to be gracious and kind” – it was evident that after several difficult years, the global star had finally navigated his way back to a positive place.

But faith has always been a prominent feature in the 24-year-old music superstar’s life. His mother, Pattie Mallette, was just 18 when she fell pregnant but devoted her life to raising her son, instilling in him good Christian values. She also encouraged his impressive musicality, and when he was 12 began posting his videos on YouTube, initially just for friends and family, sparking a pop phenomenon unlike anything seen before.

YUSUF ISLAM
After an impressive career during the Seventies under his Christian name Cat Stevens, the Father and Son singer converted to Islam. Abandoning his career for almost three decades, Islam has now returned to the studio to focus on religious-themed music.

Such urgent and sudden superstardom took its toll, and after several years of being worshipped and lambasted in equal amounts by the watching world, Bieber rebelled. Run-ins with the law for drink driving and drag racing, vandalism to his neighbour’s house, and other bouts of anti-social behaviour all became part of the Bieber agenda. “I think, at the time, I wanted to change my image, and looking back there was a lot of emotion caught up in there, and I went about it the wrong way,” he admits now.

“I was close to letting fame completely destroy me,” he demurs. “I wouldn’t suggest being a child star – it’s the toughest thing in the world. Look at the statistics on how many child stars have crumbled and turned out to be whack-jobs.”

KATY PERRY
She may have kissed a girl and liked it, but prior to being a pop provocateur the pastor’s daughter released an eponymous album of Christian rock under her birth name, Katy Hudson.

Salvation came one night in 2014 when a 21-year-old Bieber decided he had simply had enough. In his moment of distress, he turned to Carl Lentz, pastor of Hillsong Church in New York, and begged to be baptised. The events that followed would be comedic if it weren’t for the fact a young man’s mental health was in jeopardy, as the pastor and the pop star traipsed around the city looking for an appropriate venue to conduct the ceremony. In the end, Lentz called his good friend, professional basketball player Tyson Chandler, who, at 7ft 1”, owned a bathtub the size of a small pool. It is here that Bieber was reborn.

Since that day the Canadian has made a point of putting his best foot forward, personally and artistically. Beyond simply become a mouthpiece for modern incarnations of faith, he has done the hardest task of all and begun taking full responsibility for himself and his actions. In 2015 he released his fourth studio album, titled Purpose. Raw, open and honest, the record is Bieber at his most reflective and it is surely vindication that his most uncompromising work has been his best received, commercially and critically.

CLIFF RICHARD
Not content with bagging the UK Christmas one with his ‘Christian rhyme’ Mistletoe and Wine in 1988, Sir Cliff repeated the feat with Saviours Day in 1990, and The Millennium Prayer in 1999.

There are those of course who would still get pleasure from seeing him fall from grace – particularly as his more Christianly habits don’t make for such interesting headlines – and perhaps wonder if his proclamations are a PR stun. Though Bieber’s ardent exclamations, “I’m a Christian, I believe in God – I believe Jesus died on a cross for my sins; I believe that I have a relationship, and I’m able to talk to him and really, he’s the reason I’m here,” suggest otherwise.

There remains some controversy surrounding Hillsong with accusations of cultish behaviour and Bieber’s close friend, rapper Post Malone, told Rolling Stone that his buddy had donated $10million to the ‘megachurch’ founded in 1983 by Australia Brian Houston and his wife Bobbie. The global organisation – and it’s accompanying record label – has certainly played a huge part in opening up the Christian faith to a Millennial audience. Their ability, just like Bieber’s, to market faith into something cooler and more accessible, bringing a certain brand of rock star into the fold, with other celeb followers including Selena Gomez, Hailee Steinfeld, Hailey Baldwin and Kendall and Kylie Jenner.

STORMZY
The London grime artist wears his faith on his sleeve even calling his debut album Gang Signs and Prayer.

For more traditional Christians, this modernising of religion may feel gaudy and outrageous, but the reality is faith has never been cooler, and siding with it appears to be doing no harm to the pop titan’s career.

Indeed, it is thought his next album, which may even be ready by the end of 2018, will contain more Christian-appropriate songs, exploring key themes of love and redemption. Could this new direction propel Bieber even further into the stratosphere, in the process converting millions to the cause, or will he become a pop pariah, as listeners decide they are perhaps not ready for such ardent declarations of faith?

Either way, for now, it is just refreshing to see that a young man who was so close to the brink has managed to restore his sanity through faith and prayer.